Vor der zweiten Doppelrunde bei Reisepartner Böblingen standen die Mannen vom TSV nach zwei Niederlagen als Tabellenschlusslicht schon gehörig unter Druck und mit Baden-Baden II und Eppingen standen starke Teams mit bisher weißer Weste als Gegner auf dem Programm.

In den bisherigen fünf Duellen mit der Reserve des Rekordmeisters hatte es nur zu zwei Unentschieden gereicht, bei den drei Niederlagen setzte es unter anderem ein 0,5-7,5 als Tiefpunkt und die Favoritenrolle war auch diesmal wieder klar verteilt.

Doch an den Brettern stellte sich die Situation an diesem Samstag von Beginn an anders dar. Bereits nach wenigen Minuten war Marius Deuer fertig, der französische Nationalspieler Maxime Lagarde, ein Großmeister mit über 2600 Elopunkten, willigte mit schwarz in eine Zugwiederholung in der Eröffnung ein. Das zeigt, wie groß der Respekt vor den jüngsten Leistungen des Schönaicher Jungstars ist. Bald darauf endete auch die Partie von Sebastian Iermito mit dem gleichen Ergebnis. Anschließend schlug die große Stunde von Christian Beyer. Er hatte mutig einen Bauern mitgenommen und konnte anschließend die Angriffe auf seinen König parieren. Nachdem er dann einen zweiten Bauern gewonnen hatte, ließ sich der Gegner den Rest nicht mehr zeigen und gab die Partie auf. Oleg Korneev hatte seine Partie auf Anweisung von Kapitän Moritz Reck trotz den schwarzen Steinen riskant angelegt und eine Qualität geopfert. Obwohl die Stellung ausreichend Kompensation für das Opfer hergab, entschied er sich, sie Remis zu geben, um in der guten Situation mit der 2-1 Führung kein unnötiges Risiko aufkommen zu lassen. Ob das die richtige Entscheidung sein sollte, war zu diesem Zeitpunkt natürlich noch nicht klar und tatsächlich konnten Kapitän Reck und Harald Keilhack ihre passiven Stellungen nicht halten, so dass die Führung mit 3,5-2,5 zum Favoriten wechselte. In der Zwischenzeit hatte sich allerdings Tobias Kölle am Spitzenbrett einen großen Vorteil erarbeitet, den er auch umsichtig zum Ausgleich verwertete. Damit lief nur noch die Partie von Carles Diaz Camallonga, ein Kämpfer, der oft noch als Letzter spielt und alles probiert, um einen Sieg aus der Stellung herauszuholen. Diesmal waren ihm aber eigentlich die Hände gebunden, sein Gegner Niklas Schmider hatte eine forcierte Zugwiederholung, mit der er ein Remis erzwingen konnte. Schmider überlegte sehr lange und als seine Uhr nur noch 4 Minuten anzeigte, entschied er sich gegen das Remis und wählte eine andere Fortsetzung. Eine sehr gewagte und auch etwas fragwürdige Entscheidung, denn die Stellung war kompliziert, so dass es mit knapper Zeit viele Fallstricke gab. Tatsächlich gelang es Camallonga bald mit einem Mehrbauern in Vorteil zu kommen und diesen am Ende zum viel umjubelten Sieg für Schönaich zu verwerten.

Mit diesen 2 unerwarteten Punkten und dem Ende der schwarzen Serie gegen Baden-Baden ging es am Sonntag mit viel Selbstbewusstsein im Gepäck gegen Eppingen, die inzwischen mit 6-0 Punkten an der Tabellenspitze standen. Kölle kam erneut sehr gut aus der Eröffnung, gab sich diesmal aber mit einem forcierten Remis durch Zugwiederholung zufrieden. Vermutlich wäre in der Stellung aber durchaus auch mehr möglich gewesen. Auch Camallonga war ausnahmsweise frühzeitig mit einem halben Punkt fertig. Dann geriet Schönaich in Rückstand, denn der eingewechselte Florian Schnadt geriet in seiner Partie ziemlich unter die Räder. Etwas schade war es am Ende trotzdem, denn der Gegner hakte die Partie im Kopf wohl etwas zu früh ab und erlaubte dadurch einen Konter, so dass die Partie tatsächlich kurz vor dem Ende nochmal komplett ausgeglichen war. Doch Schnadt fand leider nicht die richtige Verteidigung. Den Ausgleich besorgte Korneev, der seinen Gegner in einer fantastischen Partie mit ausgesprochener Präzision überspielte und auch mit 55 Jahren noch eindrucksvoll zeigt, warum er als Nr. 34 im Jahr 2006 zur erweiterten Weltspitze gehörte. Beim Stand von 2-2 war alles offen, an den Brettern von Beyer und Reck drückten die Schönaicher auf den Sieg, Deuer und Iermito versuchten ihre Stellungen zu halten. Nachdem dies Iermito gelungen war, schlug erneut die Stunde des Helden vom Wochenende, Beyer konnte im Turmendspiel seinen Freibauern verwerten und seinen zweiten Sieg verbuchen.

Chris Beyer, Held des Wochenendes mit 2/2 gegen einen GM und einen IM

Ein Punkt war also schon sicher und leider gab es in den beiden anderen Partien den jeweils schlechten möglichen Ausgang für den TSV. Deuer konnte den Freibauern des Gegners trotz Läuferpaar nicht aufhalten und der Mehrbauer von Reck ließ sich im Damenendspiel nicht zum Sieg verwerten. Am Ende kam Eppingen beim 4-4 also nochmal mit einem blauen Auge davon, aus Schönaicher Sicht ein Match mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Eine erneut starke Leistung und ein Punkt gegen den damit gestürzten Tabellenführer sind ein Grund stolz zu sein. Doch vom Spielverlauf wäre sogar eher ein Sieg das gerechte Ergebnis gewesen, wenn man an die Stellungen von Kölle, Reck und am Ende auch Schnadt denkt.

Der SC Böblingen zeigte sich nicht nur als guter Ausrichter, sondern am Brett auch als gefährlicher Gegner, letztlich setzte sich aber in beiden Matches die Qualität der Gegner durch, womit man weiter am Tabellenende steht. Schönaich klettert dagegen mit den 3 Punkten auf den ersten Nichtabstiegsplatz 9 und kann damit erstmal ein wenig durchschnaufen, bevor im Februar ganze fünf Runden anstehen und vermutlich bereits erste Entscheidungen bringen werden.

Entscheidende Momente vom Sonntag:

Flori steht auf völlig verlorenem Posten, doch der Gegner spielt unbedarft drauf los. 35. c5?! Tb2 36.g4? und nach hxg4 37.hxg4 Tb4+ ist die Stellung aufgrund der ungleichfarbigen Läufer mit 0,00 ausgeglichen. Leider reichte es am Ende trotzdem nicht für einen halben Punkt, weil Flori nach Tf7+ und Kc8 nach c6 im Mattnetz gefangen war. Ka6 wäre der richtige Fluchtplan gewesen mit vermutlich baldigem Remis, da weiß mit dem c Bauern nicht wirklich voran kommt.

Oleg krönt seine tolle Partie mit dem Opfer 20.Sxg5! Es folgt Lxg5 21.Lxg5 hxg5 22.Df6 Th7 23.h6 und Oleg bekommt seine Figur mit Gewinnstellung (+3) zurück.

Moritz lehnte im 23. Zug ein Remisangebot seines knapp 300 Punkte stärkeren Gegners ab, die Stellung war zwar ausgeglichen, doch der Gegner bereits in beginnender Zeitnot und als Kapitän muss man ja auch mit gutem Beispiel vorangehen 🙂 Schließlich konnte Moritz im 36. Zug einen Bauern gewinnen, doch gewonnen war die Stellung nur genau für einen Zug in obigem Diagramm. Es kam gerade 40. … Sf5 und die 40 Züge waren geschafft. Moritz Se5 ist dann leider nur die zweitbeste Fortsetzung und schwarz hielt die Stellung anschließend mit der starken Antwort Sd6. Das Damenopfer Dh7+! hätte aber ziemlich sicher die Partie gewonnen (+4).